Der Lösungsansatz

Ein wichtiges Ziel des Forschungsprojektes stellt daher die computerbasierte Suche und Bewertung neuer Beweidungsflächen dar. Neben der Suche neuer Potentialflächen zur Schafbeweidung spielt die Erreichbarkeit dieser eine zentrale Rolle. Am Computer werden daher unter Nutzung einer zu Grunde liegenden Landbedeckungsklassifikation über Routing-Algorithmen neue bzw. verbesserte Wanderrouten für die Schäfer ermittelt. Durch die Beweidung neuer Flächen und die Ermittlung neuer Triebwege können Isolationseffekte der heute stark fragmentierten Landschaft vermindert und klimawandelbedingte bzw. nutzungsbedingte Biodiversitätsverluste verringert werden. Die neu gefundenen Flächen profitieren von einer Beweidung und können so zu einer Vernetzung verinselter Biotope beitragen. Diese Erkenntnisse werden durch Ergebnisse unterschiedlicher Studien gestützt.

Der Biotopverbund oder die Biotopvernetzung ist die Schaffung eines Netzes von (Einzel-) Biotopen, welche das Überleben bestimmter Arten sichern. Der Biotopverbund ist dann gegeben, wenn ein funktionaler Kontakt zwischen Biotopen (Lebensräumen) besteht, der eine Vernetzung zwischen Populationen von Organismen in Form von Beziehungssystemen ermöglicht. Er funktioniert dann, wenn die zwischen gleichartigen Lebensräumen liegende Fläche für Organismen überwindbar ist, so dass ein beidseitiger Individuenaustausch möglich ist. Der Biotopverbund definiert sich also über seine Wirksamkeit auf ausgewählte Zielarten. Streng genommen werden nicht Biotope vernetzt, sondern Populationen. Der Biotopverbund muss also je nach Biologie der betrachteten Art unterschiedliche Anforderungen erfüllen. Für mobile Arten, insbesondere flugfähige oder solche mit flugfähigen Lebensstadien (v.a. Vögel, die meisten Insekten, Pflanzen mit windverbreiteten Samen) wird ein Verbund meist über sog. Trittsteinbiotope angestrebt. Für immobile, bodengebundene Arten (z. B. viele Säugetiere oder Pflanzen) wird ein Biotopverbund über Biotopkorridore angestrebt, d.h. linienhafte Strukturen, die die zu verbindenden Zielbiotope physisch miteinander verbinden. Eine besondere Bedeutung bei der Biotopvernetzung haben Linienbiotope in der Ackerlandschaft. Zu den Linienbiotopen zählen Ackerrandstreifen, Raine, Lesesteinwälle, Böschungen, Wege und Straßenränder, Hecken, Alleen und Fließgewässer. Linienbiotope tragen besonders in einer stark ausgeräumten Landschaft mit geringem oder fehlendem Wald- und Grünlandanteil zur Mannigfaltigkeit und Vernetzung der inselartigen Biotope bei. Durch einen Biotopverbund haben Pflanzen und kleine Tiere eine bessere Chance sich an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen und zu überleben.

Ein solches Biotopverbundsystem stellt der Schaftrieb dar. An Fell, Klauen und im Kot „reisen“ Samen und Sporen, Spinnen, Käfer, Heuschrecken, Schnecken bis hin zu Reptilien „per Anhalter“ mit. Mit ihrem dichten, langen Fell eignen sich Schafe wie kein anderes Tier für den Transport von Pflanzensamen. Indem sie die Samen von einer Biotopfläche zur nächsten transportieren, verbinden sie isolierte Biotope in unserer heutigen fragmentierten Landschaft. Somit vernetzt die Hüteschäferei Lebensräume miteinander und stellt den Individuenaustausch zwischen ihnen sicher. Dadurch kann verhindert werden, dass Pflanzengemeinschaften genetisch verarmen und einzelne Arten auf einigen Flächen vollständig verschwinden. Viele seltene oder bedrohte Pflanzen sind auf den Samentransport durch Schafe angewiesen.

In unserer Kulturlandschaft sind die Samen vieler Pflanzen speziell an den Transport durch Weidetiere angepasst. Sie haben Haken, Dornen oder Borsten, die sich im Fell der Tiere verfangen. Doch auch Samen mit glatter Oberfläche werden im Fell der Schafe transportiert. Manche Samen können sogar über Monate im Fell verbleiben und dabei mit den Schafen Strecken von über 100 km zurücklegen.

Übrigens werden nicht nur Pflanzensamen von Schafen transportiert. Auch kleine Tiere wie Eidechsen, Schnecken, Käfer oder Heuschrecken nutzen die Schaf-Taxis gerne.

Neben einer Biodiversitätsförderung profitiert der Schäfer natürlich auch wirtschaftlich von den neu gewonnenen Beweidungsflächen und deren Erreichbarkeit. Das Projekt trägt so zu einer ökologischen und einer ökonomischen Verbesserung bei.

 

Seitenanfang